Wenn, wie im November 2018 in Veszprém, Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gemeinsam zu einer Tagung geladen werden, die als interdisziplinäre angekündigt wird, dann ist diese Charakterisierung zutreffend und doch nicht ganz ohne Ironie. Ist es doch noch nicht so lange her, dass Literatur, Sprache und Kultur selbstverständlich unter unterschiedlichen Gesichtspunkten und als unterschiedliche Facetten eines Gegenstandsbereichs und innerhalb von Fachdisziplinen beschrieben und erforscht wurden, vornehmlich in den zahlreichen Philologien. So waren im Rahmen einer Germanistik, wie sie etwa Harald Weinrich (z.B. 2007) praktizierte, zusammen mit der Betrachtung von Sprache(n), ihrer Formen und Funktionen über akademische Fächergrenzen hinweg immer auch Literatur als sprachliche Tätigkeit und Kultur als umfassender menschlicher Zusammenhang eingeschlossen. Und doch ist es heute richtig, die Interdisziplinarität einer solchen Veranstaltung explizit hervorzuheben. Seit den 1970er Jahren haben sich die facettenreiche Einheit der Betrachtung innerhalb der Philologien und damit die Philologien als kohärente Fächer nämlich weitgehend aufgelöst. Dies äußert sich unter anderem darin, dass vor allem Linguistik und Literaturwissenschaft tatsächlich meist als zwei getrennte Wissenschaftsdisziplinen mit kaum noch überlappenden Fachdiskursen auftreten, während die so genannte Altgermanistik sich ihren umfassenderen Charakter eher bewahrte. Im Zuge einer Entwicklung, in deren Verlauf die so genannten Kulturwissenschaften (vgl. Bachmann-Medick 2018) wieder einen weiten Diskursrahmen eröffnen und mit einem sicher oft vagen Kulturbegriff einen Orientierungsrahmen anbieten, auf den sich sowohl sprach- als auch literaturwissenschaftliche Fragestellungen beziehen lassen, scheint sich dies gegenwärtig wieder zu ändern.