Muss der Praxisinhaber in Quarantäne oder erkrankt gar selbst an COVID-19, muss es
schnell gehen: Wer erstellt eine Kontaktliste? Wer versorgt die Patienten? Und was
ist sonst noch zu regeln? Der Erfahrungsbericht eines Hausarztes zeigt, was in die
ärztliche Notfallmappe gehört und warum man die Sorgen der Mitarbeiter ernst nehmen
sollte.
Ihn selbst hatte es relativ früh während der ersten Corona-Welle erwischt, damit gerechnet
hatte er nicht, sagte Dr. Jürgen Herbers. Er mache viel Sport, sei fit und an sich
gesund. Deshalb lautete auch sein eindringlicher Rat an alle Ärztinnen und Ärzte bei
einem Online-Seminar im Rahmen der diesjährigen practica: "Bereiten Sie sich rechtzeitig
auf den Ernstfall vor." Denn selbst, wenn nur eine Quarantäne verhängt werde, greife
diese sofort. "Dann können Sie nicht noch einmal kurz in die Praxis und Dinge regeln."
Herbers, der in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis im baden-württembergischen
Pleidelsheim praktiziert, hatte das Glück, dass vom restlichen Praxisteam niemand
Symptome hatte und die Praxis weiterarbeiten durfte. Da er und sein Praxiskollege
eine Vereinbarung haben, dass der jeweils andere drei Wochen Krankheit pro Jahr ohnehin
für den Kollegen ausgleicht, verzeichnete er auch keine finanziellen Einbußen. "Zudem
war es ohnehin die Zeit, als wegen des Lockdowns wenig in den Praxen los war", berichtete
Herbers. "Wir haben noch zwei angestellte Ärzte, die konnten sogar teilweise an den
Praxistagen früher Feierabend machen." Das Gesundheitsamt habe lediglich eine Maskenpflicht
für alle Mitarbeiter in der Praxis angeordnet.
Viel hängt am Gesundheitsamt
Generell hänge es sehr stark vom jeweiligen Gesundheitsamt vor Ort ab, ob die Praxis
- egal ob Einzel- oder Gemeinschaftspraxis - bei einem positiven COVID-Fall im Team
oder einer Quarantäne komplett geschlossen werde oder nicht. Kollegen hätten ihm ganz
unterschiedliche Varianten geschildert: "Teilweise wurden Einzelpraxen komplett für
zwei Wochen geschlossen, teilweise konnten die Ärztin oder der Arzt im Home-Office
Telefondienst oder auch Videosprechstunden anbieten." In letzterem Fall sei es jedoch
notwendig, dass man ein Netz von Kollegen habe, zu denen man die Patienten bei Bedarf
schicken könne. Werde die Praxis komplett geschlossen, springe in der Regel der Kollege
ein, der auch die Urlaubsvertretung übernehme.
Aber auch bei den Gemeinschaftspraxen gab es ganz unterschiedliche Vorgehensweisen
der Gesundheitsämter: Vom normalen Weiterarbeiten des Praxisteams wie während der
Urlaubszeiten, über eine reduzierte Praxistätigkeit mit "gesunden" MFA und Ärzten
im Hintergrunddienst bis zur kompletten Praxisschließung für zwei Wochen. "Wenn Sie
normalerweise die Praxisvertretung im Urlaubs- und Krankheitsfall in der Gemeinschaftspraxis
untereinander auffangen und die Praxis quasi nie schließen, brauchen Sie dann eine
externe Praxisvertretung", sagte Herbers. Generell riet er Praxisinhabern, sich auf
jeden erdenklichen Fall vorzubereiten. Selbst ein und dasselbe Gesundheitsamt könne
unterschiedliche Quarantäneregeln verhängen.
Das gehört in die Notfallmappe
Wichtig sei, dass der Praxisinhaber beziehungsweise sein Team eine Mappe mit allen
wichtigen Kontakten und Checklisten anlege, die am besten auch in einem extra Ordner
auf dem Praxisserver hinterlegt werde. Und man sollte sicherstellen, dass man per
VPN-Leitung auch von zu Hause auf die Praxissoftware und den Praxisserver zugreifen
könne. Dabei seien die im Kasten zusammengefassten Punkte/Fragen zu klären.
Wer auch in der Quarantänezeit Video- und Telefonsprechstunde anbiete oder wenn die
MFA weiterarbeiten dürfen, sei zudem zu regeln, wie man mit Dauerrezepten und Rezeptbestellungen
bei bekannten Patienten verfährt. Laut Herbers könne eine Variante so aussehen, dass
man die MFA anweise, Rezepte nur auf telefonische Rücksprache herauszugeben. Der Arzt
könnte dann einige Rezepte blanko unterschreiben. Diese sollten aber wie die BTM-Rezepte
im Praxistresor aufbewahrt werden.
Ärzte sollten sich zudem darauf einstellen, dass sie die Gehälter, wenn die Praxis
geschlossen wird, weiterzahlen müssten. "Auch alle anderen regelmäßigen Ausgaben laufen
weiter." Aber: Hat der Arzt eine Praxisausfallversicherung abgeschlossen, dann greift
diese auch bei einer Quarantäne-Anordnung, berichtete Herbers. Zusätzlich gebe es
einen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz, dies laufe über
die zuständigen Behörden im jeweiligen Bundesland (www.ifsg-online.de/antrag-taetigkeitsverbot.html).
"Sie bekommen aber nicht von beiden Geld, wenn die Ausfallversicherung zahlt, gibt
es nichts vom Land", stellte er klar. Die Praxisausfallversicherung zahlt dabei nicht,
wenn der Arzt in Quarantäne ist, die Praxis aber nicht geschlossen wird, so die Erfahrung
Herbers.
Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen
Und noch etwas sei wichtig: "Nehmen Sie die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter vor
einer Ansteckung ernst." Er selbst hatte nicht damit gerechnet, dass die MFA im Team,
selbst als er zwei negative Corona-Abstriche vorweisen konnte, eher darum baten, dass
er noch ein paar Tage zu Hause bleibe. "Wir hatten anfangs aber auch nur noch eine
FFP-2-Maske für jeden noch aus der Schweinegrippe-Zeit, das war's", so der Hausarzt.
Mittlerweile sei das Problem der fehlenden Schutzkleidung ja behoben. "Seit Mitte
Oktober sind wir auch selbst COVID-Schwerpunktpraxis." Die Patienten haben seine Erkrankung
hingegen sehr positiv aufgenommen. "Sie waren eher besorgt um mich und fürsorglich",
berichtete er.
Der eigene Krankheitsverlauf
Die COVID-Erkrankung hat er übrigens gut überstanden. Allerdings hatte er einige Wochen
damit zu tun: Anfang März habe es mit Husten angefangen, da er aber keinen Kontakt
zu Risikopatienten gehabt hatte, hatte er da noch nicht an COVID-19 gedacht. Ab dem
22. März seien dann Gliederschmerzen und deutliche Krankheitssymptome hinzugekommen.
Am 27. März lag das positive Corona-Testergebnis vor, erst am 8. April das zweite
negative Testergebnis. Den Verlust des Geruchssinns hatte er hingegen erst nach fünf
Wochen bemerkt, als es ihm eigentlich schon wieder besser ging. "Es hat dann auch
noch einmal drei Wochen gedauert, bis ich wieder etwas riechen konnte", so Herbers.
Checkliste bei Praxisschließungen
Vertretung organisieren: Welcher Kollege kommt in Frage? Wer ruft an?
Patienteninfo vorbereiten: Praxisaushang, Anrufbeantworter besprechen (evtl. auch
die lokale Presse informieren)
Eigene Kontakte erfassen: Laut Herbers sind jene Personen relevant, mit denen man
länger als 15 Minuten in Kontakt war. "Das sind schon mal alle Patienten, bei denen
Sie die GOP 35100 abgerechnet haben."
Ebenfalls informieren: Kreisärzteschaft, umliegende Kollegen, örtliche Apotheker,
Pflegeheime, Rettungsstelle, Sozialstation?
Organisatorisches: Wie im Urlaub sollte geschaut werden, ob Lieferungen erwartet werden.
Was sollte man abbestellen (Laborfahrer, Zeitschriften, ...)? Wer kümmert sich um
die Post?