Die anhaltende COVID-19-Pandemie wird sich voraussichtlich zu einem beispiellosen
Stresstest für Gesundheitssysteme weltweit entwickeln. Vor dem Hintergrund des sich
entwickelnden Ausbruchsgeschehens in der Schweiz schildern wir exemplarisch in diesem
Bericht, welche Herausforderungen und Maßnahmen wir in unserer radioonkologischen
Klinik identifiziert haben, um Risiken zu mindern, den weiteren Betrieb während des
Ausbruchs mit gleich hoher Effektivität sicherzustellen und eine Belastung anderer
Ressourcen im Gesundheitssystem zu vermeiden.
* Der vorliegende Beitrag ist eine aktualisierte, ergänzte, korrigierte und ins Deutsche
übertragene Fassung eines zur Publikation in Advances in Radiation Oncology angenommenen
Manuskriptes: https://tinyurl.com/ASTRO-Preprint-2020
Ende Dezember 2019 wurde in China ein neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2, vormals
als 2019-nCoV bezeichnet) als Ursache für atypische Pneumonien mit potenziell letalem
Verlauf identifiziert, die als Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) bezeichnet werden
[1]. Nach der raschen weltweiten Verbreitung wurde der Virusausbruch am 11. März 2020
von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft, die betroffene
Gesundheitssysteme belastet und möglicherweise zu deren Zusammenbruch bei unkontrollierter
und rasanter Verbreitung führen kann.
Bedeutung der Pandemie für Krebspatienten und die Radioonkologie
Auf den ersten Blick scheint die Radioonkologie keine Disziplin zu sein, die von einem
Virusausbruch stark betroffen wäre. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die internistischen
Disziplinen, vor allem die Intensivmedizin und die Notfallaufnahmen, von einer großen
Anzahl von Patienten überfordert werden. Bei genauerer Betrachtung der Arbeitsabläufe
in der Radioonkologie sind jedoch potenzielle Schwachstellen erkennbar, die einen
kritischen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit einer Abteilung in einer Krisensituation
haben können, wie dies bereits beim Ausbruch des schweren akuten respiratorischen
Syndroms (SARS) im Jahr 2003 zu beobachten war [2]. Es ist zu berücksichtigen, dass
Patientinnen und Patienten sowie Behandelnde vor, während und nach einer radioonkologischen
Therapie gleich mit mehreren Dilemmata konfrontiert sind:
Zum einen ist es dringend erforderlich, dass eine der klinischen Situation angemessene
Strahlendosis in sinnvoller Zeit appliziert wird - gemeint ist also eine ausreichend
hohe biologisch wirksame Dosis bei kurativen wie palliativen Konzepten mit dauerhafter
Tumor- oder Symptomkontrolle ohne nennenswerte Zunahme der langanhaltenden Toxizität;
zum anderen soll eine Kontaminationsgefahr - und damit Kontakte - so gering wie möglich
gehalten werden.
Darüber hinaus müssen noch sorgfältiger als sonst denkbare therapeutische Alternativen
überdacht werden, die jedoch zu keiner erhöhten Belastung des in die Pandemie direkt
eingebundenen Personals führen: aufwendige Operationen mit Nachbeatmungen und längerer
Belegung von Intensivplätzen kommen daher als Alternative einer mehrwöchigen Strahlentherapie
(RT) mit vergleichbaren onkologischen Ergebnissen schwerlich in Frage.
Beispiel Universitätsspital Basel
Mitte Februar 2020 entstanden in Norditalien nahe der Südgrenze der Schweiz die ersten
Cluster von SARS-CoV-2. Nach der raschen Ausbreitung in der italienischen Region Lombardei
traten in der Schweiz die ersten Fälle von SARS-CoV-2 auf, darunter eine junge Frau,
die in einer Kindertagesstätte im Basel-städtischen Kanton arbeitete und am 27. Februar
in Basel nach einer Mailand-Reise positiv getestet wurde. Die Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen
in der Schweiz ist seitdem rapide auf über 14.000 laborbestätigte Fälle bis 29. März
gestiegen, wobei Basel eine der am stärksten betroffenen Regionen der Schweiz ist
(351/100.000 Einwohner).
Die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsspital Basel bedient
den Großraum Basel, die drittgrößte Stadt der Schweiz und Zentrum einer trinationalen
Agglomeration an der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland. Mit über 800 neuen
Patienten pro Jahr ist die Klinik der größte Anbieter von RT in der Region. Durch
eine Netzwerkpartnerschaft mit einem durch das Universitätsspital in 2014 gegründeten
MVZ im südbadischen Raum werden insgesamt 1.350 Patientinnen und Patienten im Dreiländereck
auch grenzüberschreitend behandelt.
Um negative Auswirkungen auf den Klinikbetrieb durch die Ausbreitung von SARS-CoV-2
zu bewältigen, wurden Mitte Februar 2020 Notfallpläne erstellt. Hier beschreiben wir
Mitte März 2020 - während der voraussichtlich noch beginnenden Phase des SARS-CoV-2-Ausbruchs
- Maßnahmen, die als Reaktion auf krankenhausweite, regionale und nationale Entwicklungen
geplant oder umgesetzt wurden (Abb. 1). Die wichtigsten Herausforderungsbereiche für
den Fall eines größeren Ausbruchs von SARS-CoV-2 wurden identifiziert. Darüber hinaus
wurden Annahmen getroffen, wie die Krankenhausverwaltung, die kantonalen Behörden
und der Bundesrat auf einen Ausbruch reagieren würden, um unsere Abteilung auf die
möglichen Auswirkungen dieser externen Faktoren auf die Patientenversorgung vorzubereiten.
Diese Planungen gingen bereits zu Beginn der Pandemie von einer für die Region relevanten
Pandemiedauer bis Ende Juni 2020 aus. Eine Anpassung erfolgte nach Bedarf unter Berücksichtigung
der Geschwindigkeit der Ausbreitung und den Rückmeldungen zum Platzbedarf auf den
Intensivstationen und den Beatmungsplätzen.
Herausforderung 1: "Die Segel festmachen"
Es wurde Wert daraufgelegt, die Abteilung auf die bevorstehenden Herausforderungen
frühzeitig vorzubereiten.
A.
Die Versorgung mit medizinischen Instrumenten, Medikamenten und Vorräten an Verbrauchsmaterialien
wie Untersuchungshandschuhen, Operationsmasken und Desinfektionsmitteln wurde überprüft
und bei Bedarf wieder aufgefüllt.
B.
Alle geplanten Urlaubstage sowie Abwesenheiten für Weiter- und Fortbildungen, Arbeitsgruppensitzungen
und Vorlesungen von Studenten wurden überprüft, um potenzielle Engpässe zu ermitteln.
Abgesehen von Ferientagen wurden Abwesenheiten mit einem Ampelsystem kategorisiert.
Jede Abwesenheit, die leicht vermieden oder verschoben werden konnte, wurde als grün
eingestuft, alle obligatorischen Abwesenheiten wurden als rot eingestuft, der Rest
als gelb. Mit steigender Infektionsrate wurden viele Sitzungen außerhalb der Klinik
abgesagt. Videokonferenzen, vor allem mit externen Kontakten, wurden eingeführt. Die
geplanten Ferien wurden beibehalten, während Kongressteilnahmen bereits vor Rückmeldungen
der Kongressveranstalter ausgesetzt wurden. Neue Anmeldungen zu Kongressen für 2020
wurden eingefroren.
C.
Die geplante Wartung der Linearbeschleuniger (LINAC) und noch nicht abgeschlossene
Aufrüstungen wurden überprüft. Nach Mitte April 2020 geplante elektive Wartungsarbeiten
wurden verschoben, während alle notwendigen Wartungsarbeiten umgehend durchgeführt
wurden. Es sollten zum erwarteten Höhepunkt der Pandemie in der Region sämtliche Geräte
und Techniken verfügbar sein. Geplante Softwareupgrades wurden daher verschoben, um
das Risiko potenzieller Inkompatibilitäten und Softwarefehler in der kritischen Phase
zu begrenzen.
D.
Der LINAC-Hersteller wurde nach der Möglichkeit gefragt, wichtige Ersatzteile lokal
zu lagern, von denen ein umgehender und häufiger Bedarf bekannt ist. Der Abstand der
regelmäßigen Wechsel der Strahlenquellen wurde verlängert und gleichzeitig mit der
Lieferfirma abgestimmt, um im Falle eines Lieferengpasses vorbereitet zu sein.
Herausforderung 2: "Prioritäten setzen"
In Erwartung eines möglichen Personalmangels und einer zusätzlichen Arbeitsbelastung
sowie um die Expositionszeiten von Krebspatientinnen und -patienten zu verringern,
wurden die Behandlungspläne überprüft, um Prioritäten während des SARS-CoV-2-Ausbruchs
zu setzen.
A.
Die postoperative RT bei Mammakarzinomen und die externe RT bei lokalisierten Prostatakarzinomen
im primären oder postoperativen Setting machen etwa 50 % aller in der Klinik behandelten
Fälle aus. Bei vielen dieser Patientinnen und Patienten, die bei positiver Hormonrezeptor(HR)-Lage
unter einer wirksamen antihormonellen Therapie stehen, kann die RT ohne negative onkologische
Auswirkungen um mehrere Wochen oder sogar Monate verschoben werden. Daher wurden die
Zeitfenster für den Therapiebeginn bei Patientinnen und Patienten sehr kritisch überprüft,
bei denen eine Behandlung starten bzw. die sich zum ersten Mal in unserer Poliklinik
vorstellen sollten. Für diese Patientinnen und Patienten wurden ab Mitte Juli drei
Therapieslots pro Woche für den Beginn der Behandlung reserviert und kontinuierlich
"aufgefüllt".
B.
Dadurch, dass die Neuaufnahme von Patientinnen und Patienten pro Woche reduziert wurde,
konnte frühzeitig sichergestellt werden, dass nur wenige Patientinnen und Patienten
mit einer zeitlich unkritischen Therapie in Behandlung waren. Den Patientinnen und
Patienten wurde geraten, sofort eine geplante Hormon- und Androgenedeprivationstherapie
einzuleiten, wenn diese grundsätzlich und unabhängig vom Entscheid zur RT indiziert
war. Dies wurde mit den Kolleginnen und Kollegen der mitbetreuenden onkologischen
Disziplinen für jeden Einzelfall abgesprochen.
C.
Über 70 % aller Patientinnen und Patienten mit Brust- und primärem Prostatakrebs wurden
bereits vor der Pandemie mit einer hypofraktionierten RT behandelt, hauptsächlich
gemäß der START-B-Studie beim Mammakarzinom [3] und der CHHiP-Studie beim Prostatakarzinom
[4]. In Anbetracht der sich entwickelnden Situation wurde, wann immer möglich, eine
hypofraktionierte RT eingesetzt. Dazu gehörte auch die Implementierung eines einwöchigen
Schemas für die Teilbrustbestrahlung - bei Patientinnen, für die ein solches Vorgehen
geeignet ist (solche mit frühen Tumorstadien und gut differenzierten Mammakarzinomen),
nachdem kürzlich günstige Langzeitergebnisse gezeigt wurden [5, 6].
D.
Patienten mit langsam wachsenden asymptomatischen Tumoren (z. B. Meningeome WHO-Grad
I, vestibuläre Schwannome), bei denen die verzögerte Einleitung einer RT zu keinerlei
Nachteilen führt, wurden zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr Behandlungsplätze zugewiesen.
E.
Palliative RT wurden, wann immer möglich, unter Verwendung extrem kurzer Schemata
verabreicht. Stereotaktische RT (SBRT) mit einer Fraktion im Sinne einer Radiochirurgie
wurden für Fälle in Betracht gezogen, in denen eine höhere biologisch wirksame Dosis
(BED ["biological effective dose"] 10 Gy) als notwendig erachtet wurde, wie bei Knochenmetastasen
mit Masseneffekt. Dort wurden einmalige RT mit 16 Gy und bei größeren Volumina Konzepte
mit 2 × 6-10 Gy eingeführt.
F.
Es wurden Vorkehrungen getroffen, um die Maßnahmen zur Qualitätssicherung (QA) so
weit wie möglich gemäß der Strahlenschutzverordnung zu reduzieren. Im Allgemeinen
wird eine patientenspezifische QA unter Verwendung von in-vitro-Dosimetrie bei jedem
Bestrahlungsplan durchgeführt. Sobald die Ressourcen (Personal, LINAC-Zeitnischen)
begrenzt sind, werden nur stark modulierte, sehr individuelle Pläne überprüft, während
diese Praxis für Pläne ausgesetzt wird, bei denen aufgrund der in den letzten Jahren
gesammelten Erfahrungen ein geringes Risiko für Fehlerquellen besteht. Das klinikinterne
Berichterstattungssystem für kritische Ereignisse (CIRS) lieferte hier wichtige Informationen.
Dieses bereits in 2007 eingeführte Meldesystem wurde und wird unverändert weitergeführt,
sodass wir im Falle von Problemen Gegenmaßnahmen ergreifen könnten.
G.
Die zeitaufwendige konventionelle Röntgentherapie (bis 100 kV) von oberflächlichen
Hauttumoren wird durch eine schnellere RT am Linearbeschleuniger mit Elektronentechniken
ersetzt und die analgetische Therapie von gutartigen Erkrankungen bis zum Herbst ausgesetzt.
Solange wird die orale medikamentöse Analgesie aufrechterhalten.
Herausforderung 3: "Die Herde sammeln"
Besondere Fähigkeiten, die von einem oder wenigen Mitarbeitern beherrscht werden,
können zu einem Engpass führen, wenn diese Personen nicht mehr verfügbar sind. Da
die RT ein koordiniertes Zusammenspiel einzelner Expertinnen und Experten erfordert,
haben wir Bereiche identifiziert, in denen potenzielle Probleme in unserer Klinik
auftreten könnten. Dies beinhaltete unseren Workflow für die Bestrahlungsplanung,
mit Konturierung und Verschreibung der Dosis durch die Ärzteschaft, Planberechnung
durch das Dosimetriepersonal, Freigabe des Plans durch die Ärzteschaft, QA durch die
Physikerinnen und Physiker. In unserer Klinik war der erste offensichtliche Engpass
die Planberechnung mit nur zwei verfügbaren Dosimetriekräften. Um diesem Engpass entgegenzuwirken,
wurden folgende Maßnahmen ergriffen:
A.
Geschulte Physikerinnen und Physiker wurden aktiver in das Planerstellungsverfahren
als Backup-Plan bei begrenztem Dosimetriepersonal einbezogen.
B.
Ein Fernzugriff auf die Planungsarbeitsstation wurde installiert, sodass eine Dosimetriekraft
von zu Hause aus planen kann (Homeoffice), wodurch diese einem geringeren Infektionsrisiko
ausgesetzt ist und auch unter Quarantäne arbeiten kann.
C.
Ein weiterer Engpass kann sich daraus ergeben, dass ein erheblicher Teil der Belegschaft
krank wird oder eine Quarantäne benötigt. Insbesondere das Fehlen von vielen medizinischen
Fachpersonen für Radiologie (MTRA) wurde als denkbares Szenario identifiziert, bei
dem einer von drei LINAC abgeschaltet werden müsste.
D.
Die Teams wurden auf angepasste Arbeitsabläufe vorbereitet, die es ermöglichen würden,
die LINAC mit begrenztem Personal zu bedienen (z. B. mit einem "Springer", der bei
Bedarf die Patientenpositionierung unterstützt oder mit der Einbeziehung von Studierenden
im Rahmen eines regulären Arbeitsvertrages, da deren praktischer Unterricht bis auf
weiteres ausgesetzt wurde).
E.
Um das Risiko einer weitverbreiteten Exposition zu verringern, wurde ein Schichtbetrieb
in Betracht gezogen, obwohl dies von der Anzahl der verfügbaren MTRA und der Arbeitsbelastung
abhängt (derzeit in unserer Klinik nicht möglich).
Der Schutz von Spezialisten, die nicht direkt an der Patientenversorgung beteiligt
sind, erfordert ebenfalls Aufmerksamkeit. Wir haben den Administrator des Radioonkologie-Informationssystems
(ROIS) als Schlüsselfigur identifiziert, dessen Arbeitsunfähigkeit erhebliche Auswirkungen
auf den Betrieb der Klinik haben könnte. Eine umfängliche Homeoffice-Lösung wurde
implementiert.
Personen mit vielen externen Kontakten und Aufgaben (z. B. in Berufsverbänden oder
für universitäre Aufgaben) haben diese Aufgaben nahezu komplett über Videokonferenzen
erfüllt, um bis zuletzt dem Klinikbetrieb zur Verfügung zu stehen und keiner zusätzlichen
Infektionsgefahr ausgesetzt zu sein.
Herausforderung 4: "Wir stehen das zusammen durch"
In Krisenzeiten kann es zu zusätzlichen (und bis dahin wenig vertrauten) Aufgaben
kommen [siehe hierzu auch den Beitrag "Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie
von Patienten mit COVID-19" in dieser Ausgabe; Kluge S et al. InFo Hämatologie + Onkologie.
2020;23(4):17-9], da Personalmangel und Patientenüberlastung krankenhausweite Folgen
haben.
A.
Andere kritische Bereiche im Krankenhaus erfordern möglicherweise Unterstützung. In
unserem Fall hat die Krankenhausverwaltung eine Woche nach der Entwicklung der ersten
Notfallpläne der Abteilung 1,0 Vollzeitäquivalente (FTE, "full time equivalent") ärztliche
Stellen unserer Klinik der neuen ambulanten SARS-CoV-2-Testambulanz zugewiesen. Weitere
0,5 VZÄ aus der Administration wurden in der folgenden Woche zugeteilt. Diese Praxis
wird voraussichtlich fortgesetzt und bedarf weiterer Anpassungen der Klinikabläufe.
B.
Personal, das unsere Abteilung unterstützt, ist möglicherweise nicht mehr verfügbar.
Betroffene Dienstleistungen können Raumpflege, Logistik, Informations- und Kommunikationstechnologie
(IKT) sowie Krankentransporte umfassen. Wir planen, das Verwaltungspersonal der Abteilung
zu beschäftigen, um einige dieser Aufgaben auszuführen, falls diese Dienstleistungen
nicht mehr vom Krankenhaus erbracht werden. Andere nicht zeitkritische Aufgaben, die
derzeit vom Verwaltungspersonal abgedeckt werden, wie z. B. die Abrechnung oder die
Erstellung von Nachsorgeberichten sowie Beantwortung nichtdringlicher Anfragen, müssten
verschoben werden, bis sich die Situation verbessert. Da sämtliche Aktivitäten der
Lehre im Anwesenheitsunterricht unterbrochen wurden, hat die medizinische Fakultät
Medizinstudenten aufgefordert, bei verschiedenen unterstützenden Aufgaben zu helfen.
Während dieser Artikel verfasst wird, sind über 100 Studenten diesem Aufruf gefolgt.
Hierdurch kann sich das höher qualifizierte Personal auf die Kerngeschäfte konzentrieren
und es ist absehbar, dass unser Personal in unsere Klinik zurückkehren wird.
C.
Bestimmte Verfahren in der Brachytherapie erfordern möglicherweise eine (regionale
oder allgemeine) Anästhesie. Viele dieser Indikationen sind nicht zeitkritisch, wie
beispielsweise die Brachytherapie bei Prostatakrebs, und können daher verschoben werden.
In unserem Fall erhalten derzeit vier Patienten mit lokal fortgeschrittenem Gebärmutterhalskrebs
eine externe RT (EBRT) und sollen in den folgenden Wochen eine invasive Brachytherapie
erhalten. Da wir davon ausgehen, dass die Ressourcen für die Anästhesie begrenzt sind,
müssen die Optionen für eine Sedoanalgesie mit den Patienten besprochen und koordiniert
werden. Als letztes Mittel kann die Verschreibung einer höheren perkutanen Dosis (RT
mit integrierter Dosissteigerung auf das Zentrum des Primärtumors im Sinne einer Simulation
einer Dosisverteilung ähnlich der Brachytherapie) in Betracht gezogen werden, obwohl
dies mit weniger günstigen Ergebnissen verbunden ist [7].
Herausforderung 5: "Schützen Sie Ihre Patientinnen und Patienten, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter"
Eine der größten Herausforderungen während eines Ausbruchs besteht darin, Patientinnen
und Patienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen. Die
strikte Einhaltung krankenhausweiter Hygienemaßnahmen ist obligatorisch. Dazu gehörten
die frühzeitige Verwendung persönlicher Schutzausrüstung sowie regelmäßige Desinfektionsverfahren,
die Verteilung von Händedesinfektionsmitteln und die Unterweisung von Patienten und
Personal.
Wir haben zusätzliche Schritte unternommen, um die Exposition auf das erforderliche
Minimum zu beschränken. Eine der größten Herausforderungen, die wir uns vorgestellt
hatten, war die Möglichkeit, dass Patientinnen und Patienten unter RT positiv auf
SARS-CoV-2 getestet wurden. Für Patienten, die für eine (mögliche) SARS-CoV-2-Infektion
unter Quarantäne gestellt würden, fordern die Krankenhausvorschriften eine Dekontamination
des LINAC-Raums und der Patiententransitbereiche in einem langwierigen Verfahren,
das im Tagesablauf kaum möglich ist. Vielmehr scheint dies nur dann beherrschbar zu
sein, wenn nur wenige Patienten betroffen waren. So haben wir uns darauf vorbereitet,
die Behandlungsplätze etwaiger Infizierter auf das Ende des Tages zu verschieben und
eine Dekontamination über Nacht durchzuführen. Folgende Maßnahmen wurden ergriffen,
um die Risiken zu mindern:
A.
Unsere Abteilung verfügt über drei Bunker mit identischen, strahlangepassten LINAC.
Während des normalen Betriebs werden je nach Patientenaufkommen zwei oder drei LINAC
bedient. Nachdem wir bereits als ersten Schritt unseres Notfallplans alle erforderlichen
Wartungsarbeiten durchgeführt hatten, konnten wir einen Therapieraum bestimmen, der
für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer (möglichen) SARS-CoV-2-Infektion
dienen soll.
B.
Markierungen auf dem Boden wurden verwendet, um die Zugangswege zum vorgesehenen Bunker
und Kontrollraum hervorzuheben. Diese Zugangswege sind für Patientinnen und Patienten,
die nicht von SARS-CoV-2 betroffen sind, sowie für das normale Therapieteam nicht
zugänglich und können schnell desinfiziert werden.
C.
Behandlungszeiträume zwischen möglichen und bestätigten SARS-CoV-2-Fällen müssen mit
ausreichender Zeit geplant werden, um eine Desinfektion zu ermöglichen. Die Reihenfolge,
in der Patientinnen und Patienten behandelt werden, hängt von der Wahrscheinlichkeit
einer SARS-CoV-2-Infektion ab, beginnend mit der am wenigsten wahrscheinlichen und
endend mit den bestätigten Fällen.
Bei bestimmten Patientinnen und Patienten mit einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion
kann eine Unterbrechung der Behandlung diskutiert werden. Ein übliches Szenario kann
die Behandlung von Knochenmetastasen unter Verwendung von z. B. 5 × 5 Gy sein. Würde
eine SARS-CoV-2-Infektion nach der Hälfte der Behandlung festgestellt, könnte die
RT sicher abgebrochen werden, da eine verabreichte Dosis von ≥ 10 Gy für die Analgesie
und zur vorübergehenden Verhinderung des Tumorwachstums in unkritischen Fällen ausreichend
sein sollte. Die Behandlung könnte dann nach einigen Wochen wieder aufgenommen werden,
mit der Option, eine höhere kumulative Dosis abzugeben, um die Unterbrechung zu berücksichtigen.
Bei Infektionsnachweis zu einem früheren Zeitpunkt würde der Behandlungsplan angepasst
und mit einer deutlich höheren Fraktion (z. B. 8-10 Gy) wirksam abgeschlossen.
Neben der Begrenzung des Infektionsrisikos während der Behandlung wurden zusätzliche
Maßnahmen ergriffen, um die Exposition während der Nachsorge der Patientinnen und
Patienten gemäß dem Prinzip "zu Hause bleiben" zu begrenzen und die Ausbreitung von
SARS-CoV-2 zu verringern. Patientinnen und Patienten, für die Nachsorgeuntersuchungen
vorgesehen waren, wurden im Voraus telefonisch kontaktiert. Maßnahmen aus der Ferne,
die als Reaktion auf typische RT-Nebenwirkungen ergriffen wurden, umfassten die Konsultation,
das Faxen von Medikamentenverordnungen an nahe gelegene Apotheken, die Verwendung
von Videoanrufen zur Beurteilung von Hautreaktionen und die Planung zusätzlicher Telefonanrufe.
Die Reaktionen der Patienten auf diesen Ansatz waren fast einstimmig positiv, da viele
erleichtert waren, dass sie nicht in die Klinik kommen mussten - es sei denn, dies
war (aus anderen Gründen) erforderlich.
Herausforderung 6: "Wer kümmert sich um die Kinder?"
Der Ausbruch von SARS-CoV-2 wird Herausforderungen mit sich bringen, die zunächst
möglicherweise nicht erkannt werden. Das galt auch für die (nunmehr angeordnete) Schließung
von Schulen und/oder Kindertagesstätten. In unserem Fall wurde dies durch die nicht
abschätzbare Entscheidung der Schweizer Bundesregierung und der kantonalen Behörden
zum Schulbetrieb erschwert. Da Basel sowohl an Frankreich als auch an Deutschland
grenzt, pendeln mehrere Kolleginnen und Kollegen zur Arbeit über die Grenze in die
Schweiz, was die Sache noch komplizierter macht. Die französischen Behörden haben
am 9. März die Schulen geschlossen, während die Schweizer und deutschen Behörden am
16. März folgten. In Erwartung wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern
gefragt, wie ihre Kinder betreut werden würden, wenn Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten
geschlossen würden. Ein vorläufiger Plan war die Umwandlung eines Pausenraums in eine
Art Kindertagesstätte für Mitarbeiter. Diese Idee wurde schnell verworfen aufgrund
der am 13. März erlassenen Krankenhausvorschrift, die es für Besucher verbietet, das
Krankenhausgelände zu betreten. Glücklicherweise haben die kantonalen Behörden die
Bedeutung dieses Themas erkannt und Kindertagesstätten für Eltern, die im Gesundheitswesen
oder in anderen wichtigen Diensten arbeiten, bereitgestellt. Von Seiten des Spitals
wurden Hotelzimmer reserviert, sollten die Grenzen auch für medizinisches Personal
geschlossen werden. So wäre eine Unterkunft in Spitalnähe möglich, eine Zustimmung
der Mitarbeitenden vorausgesetzt. Einige Zimmer wurden bereits von Mitarbeitenden
vorsorglich bezogen.
Aktuelle Entwicklungen
Der Ausbruch von SARS-CoV-2 in der Schweiz ist zum Zeitpunkt des Schreibens noch im
Gange. Umfangreiche Maßnahmen zur Eindämmung werden sowohl von der Schweizer Bundesregierung
als auch von den Nachbarländern angewendet. Wir überprüfen kontinuierlich unsere Maßnahmen
als Reaktion auf die dynamische Situation, um eine angemessene Versorgung unserer
Patienten zu gewährleisten. In der Zwischenzeit diskutiert die Radioonkologie-Community
aktiv die praktischen Auswirkungen des Ausbruchs und nutzt Social-Media-Plattformen
wie Twitter, um nützliche Informationen auszutauschen. Wir hoffen, dass die hier beschriebenen
Maßnahmen den Kolleginnen und Kollegen bei der Bewältigung der anhaltenden Krise helfen
werden, und wir ermutigen alle, ihre Erfahrungen während dieser beispiellosen Herausforderung
weiter auszutauschen.
Von großem Vorteil in dieser Situation war die extrem hohe Zustimmung aller Mitarbeitenden
auch bei ungewöhnlichen Entscheiden mitzumachen. Hierzu bedarf es trotz der Kontaktreduktion
einer klaren und verständlichen Kommunikation. Die bewährten Instrumente einer mit
allen Berufsgruppenvertretungen besetzen Klinikleitung (Ärztinnen und Ärzte, Physikerinnen
und Physiker, MTRA, Sekretariat) und die Kleingruppen an den Arbeitsplätzen sorgten
für eine durchgehende Informationskette. Hinzu kamen die langjährigen, guten Erfahrungen
mit kurzen Therapieschemata, die wir durch eine eigene kritische Literaturbewertung
schon vor der Umstellung von Leitlinien umgesetzt haben.
Dennoch ist nach bisheriger Entwicklung nicht auszuschließen, dass ein personeller
Engpass drohen kann. Für diesen Fall hat sämtliches Personal frühzeitig einen direkten
Zugriff auf das Kliniknetzwerk erhalten, sodass eine Unterstützung des Klinikteams
auch bei Quarantäne oder geringen Krankheitssymptomen aus der Ferne möglich wäre.
Im schlimmsten Fall würden wir auch im Bereich der radioonkologischen Therapie nach
Risiken und Chancen Angebote anpassen müssen: in diesem Fall hätten kurative Konzepte
Vorrang vor palliativen Maßnahmen. Hierzu liegen Empfehlungen der Schweizerischen
Akademie der Medizinischen Wissenschaften zur Triage von intensivmedizinischen Behandlungen
bei Ressourcenknappheit vor (www.samw.ch/de/corona), die wir als groben Leitfaden
orientierend bedenken würden.
Dr. med. Alexandros Papachristofilou
Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsspital Basel, Petersgraben
4, 4031 Basel, Schweiz
alexandros.papachristofilou@usb.ch