Rassistische Funktionsmuster und diskriminierende Praxen zeigen sich real, sind also auch theoretisch kaum zwischen den einzelnen polizeilichen Kernaufgaben Strafverfolgung und Gefahrenabwehr isolierbar. Zudem erfüllt Polizeihandeln häufig doppelfunktionale Zwecke. Hinzu kommt die schleichende Loslösung vom Tatverdacht (bzw. seiner Vorverlagerung) in der Strafprozessordnung und von der konkreten Gefahr in den Polizeigesetzen. Das Gefahrenabwehrrecht belässt der Polizei einen zunehmend breiten Ermessensspielraum, der das Willkürverbot nicht selten leerlaufen lässt.
Demgemäß sucht dieser Beitrag seinen Schwerpunkt in den praktischen Auswirkungen polizeilicher Gefahrenabwehr, bleibt aber nicht vollständig von der Strafverfolgung isolierbar.
Rassistische Vorurteile lassen sich als Wahrnehmen, Fühlen und Denken konzeptualisieren. Praktiken der Diskriminierung werden dahingehend dem Handeln zugeordnet. Aber das greift im Kontext Polizei zu kurz. Polizeirassismus materialisiert sich auch durch Unterlassen, gerade in der Gefahrenabwehr. In Geschichte und Gegenwart verfehlte und verfehlt die Polizei mannigfaltig ihren Schutzauftrag gegenüber bedrohten Minoritäten der Gesellschaft. Diese Rassismen oszillieren auf Mikro-, Meso- und Makroebenen. Neben rassistischen Einstellungsmustern individueller Vollzugskräfte treten Handlungsroutinen von Einheiten und Managemententscheidungen. Letztere können häufig als institutionalisierte Diskriminierung gedeutet werden. Erklären lassen sie sich aber selten ohne eine stillschweigende gesellschaftspolitische Einbettung, mithin einen systemischen (oder strukturellen) Rassismus. Der Pogrom Rostock-Lichtenhagen zählt zu den deutlichen Beispielen. Die Muster zeigen sich aber bis heute.
Die Eigensicherung im Einsatzgeschehen ist – verstärkt in den vergangenen zwanzig Jahren – zu einem politischen Diskurs geronnen. „Gewalt gegen Polizeibeamte“ und „Respektlosigkeit“ sind nur zwei Diskurselemente. Strafrechtsnovellen folgten, passive und aktive Bewaffnung der Polizei wurden massiv angereichert. Zu einem bedeutsamen Teil des Diskurses gehören sogenannte latente oder manifeste „Konflikte der Polizei mit bestimmten Migrant:innen“. Seltener wird erörtert, ob und welche Teile der Verantwortung für diese Konflikte sich die Polizei selbst zuschreiben müsste, welche davon bspw. durch die o. g. Polizeistrategien induziert werden. In diesem Verständnis können gängige Lösungsvorschläge, wie z. B. Körperkameras, kritisch diskutiert werden.